Scouts durch den Medien-Dschungel

Es gab Zeiten, da war die Statusleiste auf dem Handy von Max Schulte immer leer. Sobald eine neue Nachricht auftauchte, hat er unmittelbar reagiert. Inzwischen kann der 17-jährige Schüler des Theodor-Fliedner-Gymnasiums in Düsseldorf-Kaiserswerth nicht einmal mehr garantieren, dass seine Antwort noch am selben Tag erfolgt. „Ich habe das mittlerweile gut im Griff“, sagt der angehende Abiturient selbst über sein verändertes Nutzungsverhalten. Man könnte auch von gewachsener Medienkompetenz sprechen. Oder davon, dass er als Medienscout besonders gut geeignet ist.

Am Montag, 29. November 2021, hat Max‘ Schule prominenten Besuch erhalten. NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) und Dr. Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW, trafen am Mittag ein, um dem evangelischen Gymnasium das Abzeichen „Medienscouts NRW-Schule“ und das Sonderabzeichen „Medienscouts NRW-Schule gegen Cybermobbing“ zu verleihen. Die Zertifizierung erfolgt jährlich, aber pandemiebedingt können diesmal nicht alle Schulen gemeinsam gewürdigt werden. Dass das Theodor-Fliedner-Gymnasium (TFG) stellvertretend ausgewählt wurde, versteht man dort auch als Anerkennung für das langfristige Engagement in dem vom Land geförderten Projekt „Medienscouts NRW“.

Bei den Medienscouts gilt: Schüler unterrichten Schüler

Bereits seit 2013 besteht in Kaiserswerth eine AG Medienscouts. Seither bilden Medienerziehung und die Vermittlung von Medienkompetenz einen fest verankerten Schwerpunkt im Schulleben. Das Projekt Medienscouts funktioniert nach dem Prinzip „Schüler unterrichten Schüler“. Peer Education nennen das die Pädagogen. Derzeit engagieren sich elf Schülerinnen und Schüler in der AG, von der 8. Klasse bis zum Abiturjahrgang. Max Schulte ist schon seit Ende 2018 dabei; damals war er 14 und hatte gerade die zweite Workshop-Phase durchlaufen. Denn am TFG absolviert die gesamte Schülerschaft zwei Schulungen: in den 5. und in den 8. Klassen.

Wichtiges Thema Cybermobbing

„Ich bin medienaffin und habe Spaß, anderen Leuten zu helfen und ihnen etwas zu erklären“, beschreibt Max seine Motivation. Zusammen mit seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern konzipiert er die Workshops, macht sich Gedanken, wie die Gefahren und Stressrisiken von Messenger-Diensten, In-App-Käufen und ständiger Erreichbarkeit am besten zu vermitteln sind. Bereits in den 5. Klassen geht es dabei auch schon um Cybermobbing. Das Thema wird mit den Achtklässlern und in Kooperation mit dem polizeilichen Jugendschutz noch einmal vertieft.

Digitales Schikanieren wird oft schon im Keim erstickt

Der Chemie- und Deutschlehrer Dennis Politycki, Leiter der AG Medienscouts, ist sicher, dass die Schulungen dazu beitragen, dass Cybermobbing am TFG oft gar nicht erst seine ganze destruktive Wirkkraft entfalten kann. „Die Schülerinnen und Schüler können Cybermobbing früh erkennen, wissen, was die nächsten Schritte sind und wo sie Ansprechpartner finden.“ Und sie haben gelernt, Beleidigungen durch Screenshots zu dokumentieren. Wer sicherer reagiert und sich mit Unterstützung von Lehrerinnen, Lehrern und Eltern zu helfen weiß, kann das digitale Schikanieren oft schon im Keim ersticken.

Kooperation mit dem Chaos Computer Club Düsseldorf

Unterstützung erhalten auch die Medienscouts: durch Fortbildungen und Infomaterial der Landesanstalt für Medien sowie durch ihren Beratungslehrer. Und sie geben ihr Wissen regelmäßig weiter, um neue Medienscouts auszubilden. Für das nächste Schuljahr ist sogar eine Kooperation mit dem Chaos Computer Club Düsseldorf vorgesehen.

Sinn der Schulungen zeigt sich mitunter auch erst später

Über mangelnde Akzeptanz, so Max Schulte, können sich die Medienscouts dabei nicht beklagen. „In den 5. Klassen gibt es eine große Bereitschaft, sich damit auseinanderzusetzen.“ Und selbst wenn ältere sogenannte Power-User beim Hinweis auf ihren zum Teil extremen Zeitaufwand nicht immer einsichtig reagieren: „Wir wollen niemanden bekehren, sondern zum reflektierten Medienumgang anleiten“, sagt Lehrer Politycki. Mitunter macht sich der Sinn der Schulungen auch erst später bemerkbar, wenn ein Problem auftaucht und sich die Schülerinnen und Schüler dann an Ergebnisse und Tipps aus einem Workshop erinnern. Wenn Medienscout Max über seine beruflichen Perspektiven nach der Schule nachdenkt, hat er jedenfalls schon eine vage Vorstellung: Mit Menschen will er dann zu tun haben – und mit Medien.

  • 29.11.2021
  • Ekkehard Rüger
  • Uwe Strege